Zukunft der Steuerberatung: Trends und Visionen Teil 2
„Der Berufsstand der Steuerberater muss sich dem Wandel anpassen!“ Dieser Apell entstammt einer umfangreichen Zukunftsanalyse der deutschen Bundes-Steuerberaterkammer. Sie vereint die Ergebnisse mehrere Workshops sowie der Ergebnisse einer Umfrage unter deutschen Steuerberatern, und bietet mehrere Zukunftsthesen, wovon einige auch für Österreich höchst relevant sind. Das LexisNexis Whitepaper „Digitalisierung der Steuerberatung“ gibt auf der einen Seite einen umfassenden Überblick dazu. Auf der anderen Seite will diese Analyse hier im neuen LexisNexis Blog fünf wichtige Trends und Prognosen noch genauer auf Risiken und Chancen prüfen. Teil 1 mit den Trends #1, #2, #3 können Sie hier nachlesen.
Folgend finden Sie Teil 2 mit folgenden Themen:
- #4 Digitalisierung: technische Herausforderung vs Effizienzgewinn
- #5 Steigende Komplexität
- Nächste Schritte: Fit für die Zukunft
Demnächst: Die deutsche Kammer entwickelte für die Zukunft einige Muster-Entwicklungswege – eine interaktive Darstellung der verschiedenen Muster-Entwicklungswege erscheint demnächst hier im LexisNexis Blog.
#4 Digitalisierung: technische Herausforderung vs Effizienzgewinn:
Prozessoptimierung und Digitalisierung bietet dem Steuerberater die Möglichkeit, Abläufe schneller durchzuführen und überflüssige Abwicklungsschritte und Doppelgleisigkeiten zu reduzieren. Die Prozessoptimierung betrifft sowohl die interne Automatisierung (zB digitale Kanzleiführung) aber auch die Integration mit den Systemen der Mandanten. Beispiele sind die automatisierte Verarbeitung von Belegen oder die Nutzung moderne Recherchetools und Datenbanken.
Die zunehmende Digitalisierung der großen Unternehmen zwingt auch die kleinen Zulieferer/Dienstleister zur Digitalisierung, was eine erhebliche Auswirkung auf die Steuerberatung haben wird. KMUs müssen, wenn sie im Geschäft bleiben wollen, an die digitalisierten Prozesse der Konzerne andocken. Mit der Automatisierung folgen immer ausgefeiltere Buchhaltungssysteme – die seit der Registrierkassenpflicht auch bei KMUs im Aufwind sind – welche in immer größeren Ausmaß das Rechnungswesen optimieren. Im Geist der aktuellen Digitalisierungswelle, und der fortschreitenden Automatisierung von Unternehmensprozessen, malen die Anbieter verheißungsvolle Zukunftsvisionen: Systeme, sollen selbstlernend die Buchhaltung oder die Steuererklärung ohne umfassende Vorkenntnis autonom erstellen und die neuen Systeme werden auf Basis der Datenlage Empfehlungen und Antworten liefern können. In der Realität macht die Digitalisierung der Buchhaltung (zB vollautomatisierte Verarbeitung von Belege) tatsächlich riesige Fortschritte.
Ausgeklügelte Softwareangebote könnten vor allem Routinetätigkeiten der Buchhaltung obsolet machen. Bei komplexeren Fällen – vor allem im Steuerrecht – könnte die Automatisierung jedoch schnell an die Grenzen stoßen. Laut des Bundesverbands der Deutschen Industrie „steigt die Komplexität des materiellen Steuerrechts kontinuierlich und ist ein Hemmnis für digitale Abläufe“.[3] An internationalen Beispielen sieht man, dass es vor allem eine vom Staat forcierte elektronische Rechnungslegung ist, die das Fundament für digitale Steuerberatung legen.
Chancen: KMUs benötigen oft als ersten Schritt eine Automatisierung des Rechnungswesens, wobei sich hier die Chance bietet, den Umstellungsprozess als Steuerberater zu begleiten und vor allem die laufenden gesetzlichen Änderungen einzuarbeiten.
Die Begleitung, Beratung und laufenden Servicierung von Unternehmen bei der Digitalisierung der Buchhaltung oder Steuerpflichten kann zu einem eigenen Tätigkeitsfeld mit einem Querschnitt aus IT-Fähigkeiten und steuerrechtlichen Fachwissen werden. Immerhin wird geschätzt, dass 65% der heutigen Volksschulkinder in Zukunft in Berufen arbeiten werden, die wir heute noch nicht kennen.[4]
Risiken: Eine Automatisierung von Buchhaltung, Jahresabschluss und Steuererklärung ist angesichts der hohen Komplexität und schnellen Änderungen der Gesetze nicht in allen Bereichen realistisch. Es würde die Steuerberaterbranche zunehmend auf Spezialfragen reduzieren. Eine schrittweise Digitalisierung erscheint aber vor allem beim Rechnungswesen realistisch.
International wird die Verhinderung der Nichtbesteuerung bzw. Niedrigstbesteuerung (BEPS) das beherrschende Thema der nahen Zukunft sein und auch auf nationaler Ebene ist die Legislative weiterhin mit hoher Geschwindigkeit unterwegs: Das Steuerrecht wird immer komplexer und kurzlebiger, was zu fehlender Rechts- und Planungssicherheit und höherem Haftungsrisiko führt.
Zeitgleich steigt die Erwartungshaltung der Mandanten bezüglich Tiefe und Breite des Wissens der Steuerberater und Steuerberaterinnen. Vor allem der unbegrenzte Zugang zu Informationen auf Seite der Mandanten führt vermehrt zu (vor-)informierten Anfragen und stellt die Steuerberatung vor neuen Herausforderungen. Gleichzeitig nährt die Informationsflut die Nachfrage nach standardisierter professioneller Beratung mit klaren Antworten und einem verständlichen Überblick.
Laut der deutschen Bundessteuerberaterkammer „gewinnt das Wissensmanagement gegenüber der reinen Informationsversorgung deutlich an Bedeutung“ und wird damit zum kritischen Wettbewerbsfaktor.
Risiken: Das Steuerrechtliche Wissen ist die Kernkompetenz der Steuerberater, welches – trotz explodierender Komplexität – von den Mandanten zu 100% vorausgesetzt wird. Die Menge der digitalen Daten wächst bis 2020 um den Faktor 44. Das Management von verfügbarem Wissen (= bewertete Information) wird zu einem wettbewerbsentscheidenden Faktor. Die Anforderungen an das KnowHow werden immer umfassender und es wird zur zentralen Herausforderung Überblick und Informationstiefe zu bewahren. Bei allen neuen Chancen, die die Zukunft bietet, ist es diese Herausforderung, die vorrangig gemeistert werden muss.
Chancen: Wir erleben gegenwärtig einen Wandel von der physischen zur immateriellen Wertschöpfung, wo der Mehrwert hauptsächlich durch Informationsaustausch und Wissensarbeit generiert wird. Neue Wissenssysteme und professionelle Datenbanken in Verbindung mit künstlicher Intelligenz eröffnen immer schneller und treffsicherer den Zugriff auf die relevanten Informationen und bieten Steuerberatern das Rüstzeug, um die Komplexität der Steuergesetze zu beherrschen. Dem Steuerberater kann und muss es damit gelingen, trotz aller frei zugänglichen Gratisinformationen, sein KnowHow und seinen umfassenden Überblick als Mehrwert herauszustellen.
Die Zukunft bietet vielfältige Chancen für die Steuerberatungsbranche. Automatisierung sind zugleich Risiko als auch Möglichkeit für neue Umsatzfelder.
Im Zuge eines umfangreichen Projektes mit Einbindung vieler Kanzleien empfiehlt die deutsche Bundessteuerberaterkammer ihren Mitgliedern eine klares Vorgehen, um die Weichen für eine zukunftsfähige Kanzlei zu stellen. Bevor über die zukünftige Ausrichtung nachgedacht wird sollen die – laut den Autoren – definierten Grundlagen und Mindestanforderungen zwingend umgesetzt und beherrscht werden. Diese wären:
- Klares optimiertes Angebot
- Professionelles Auftreten
- Überblick und Abrufbarkeit des Steuerrechts mit allen Änderungen (Fortbildung, Wissensmanagement)
- Attraktive Arbeitsbedingungen
In einem zweiten Schritt sollen sich die Kanzleien über zukünftige Geschäftsfelder und Gestaltungsoptionen orientieren. Die deutsche Kammer entwickelte hierfür einige Muster-Entwicklungswege – eine interaktive Darstellung der verschiedenen Muster-Entwicklungswege erscheint demnächst hier im LexisNexis Blog.
[1] https://news.wko.at/news/wien/Wirtschaftskammer-Wien-praesentiert-Modell-zur-antragslosen.html
[2] https://www.trend.at/branchen/steuern/finanzminister-loeger-kleinunternehmen-steuerreform-10310656
[3] Welling, Ghebrewebet, DER BETRIEB, Digitalisierung der Steuerberatung, Beilage zu Heft 47, 2016
[4] World Economic Forum