Dr. Stefan Albiez ist Partner bei Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH und spezialisiert auf die Bereiche Dispute Resolution und Wirtschaftsstrafrecht, MMag. Thomas Hartl ist Counsel bei BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte in der Praxisgruppe Dispute Resolution/White-Collar Crime. Er ist spezialisiert auf die Vertretung und Beratung in allen Angelegenheiten des Wirtschaftsstrafrechts und die damit zusammenhängende Abwehr und Verfolgung von Ansprüchen. Wie das Werk „Verhandlungseinsteiger:innen“ hilft, einen fundierten Überblick zu erhalten, was die Streitbeilegung spannend macht und welche Herausforderungen im Zivilprozessrecht zu erwarten sind, verraten uns die Wirtschaftsstrafrechtler im Interview.
Herr Dr. Hartl, Herr Dr. Albiez, Ihr neues Werk Survival Guide Zivilprozess ist vor Kurzem erschienen und soll Praktiker:innen eine kompakte Hilfestellung bei mündlichen Verhandlungen im Zivilverfahren geben. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Werk zu schreiben? Welchen Mehrwert bietet es den Leser:innen?
Hartl: Die Überlegung hinter dem Buch war, den Leser:innen eine praxisnahe und übersichtliche Darstellung der wesentlichsten Fragen rund um die mündliche Streitverhandlung im Zivilprozess inklusive der Vor- und Nachbereitung zu liefern. Wir hoffen damit vor allem auch jüngeren oder weniger „verhandlungsroutinierten“ Kolleg:innen einen raschen Überblick zu ermöglichen.
Albiez: Die Verhandlungs-Routine ist selbstverständlich der beste Weg zu einem sicheren und souveränen Auftreten in der mündlichen Gerichtsverhandlung. Zwangsläufig fehlt Einsteiger:innen in das Verhandlungsleben jegliche Routine. Oft gehen die ersten alleine verrichteten Gerichtsverhandlungen mit der Angst einher, sich vor Gericht zu blamieren oder gar Fehler zu machen. Unser Buch soll helfen, dass auch Einsteiger:innen den Verhandlungssaal mit Selbstbewusstsein und Überzeugungskraft anstatt mit Unsicherheit und Angst betreten.
Das Werk taucht in den Kernbereich Ihres Fachgebiets Dispute Resolution bzw Streitbeilegung ein. Weshalb haben Sie sich in diesem Rechtsgebiet spezialisiert? Was macht es für Sie so spannend?
Hartl: Ganz klar die Abwechslung und unendliche Bandbreite an Sachverhaltskonstellationen und Rechtsfragen. Gerade unsere Schwerpunktsetzung auf Causen, die sowohl zivilrechtliche als auch wirtschaftsstrafrechtliche Komponenten beinhalten, stellt sicher, dass täglich neue Herausforderungen warten.
Welche Entwicklungen und Veränderungen im Zivilprozessrecht erwarten Sie in nächster Zeit? Wo sehen Sie die Herausforderungen?
Hartl: Insbesondere die zunehmenden Compliance-Vorgaben in vielen Bereichen (zB Lieferkettengesetze etc) als potentielle straf- und zivilrechtliche Haftungsgrundlage werden uns in den nächsten Jahren sicher beschäftigen.
Albiez: Die Umsetzung der Verbandsklagen-RL wird wohl – egal wie die Umsetzung letztlich aussehen wird – zu einschneidenden Änderungen unserer Zivilprozessordnung führen. Diese Änderungen werden sicher zu zahlreichen Auslegungsfragen führen, die Gerichte und Rechtsanwender:innen sehr lange und intensiv beschäftigen werden.
Nun haben Sie in Ihrer langjährigen Berufspraxis vermutlich schon eine Vielzahl an interessanten Fällen betreut. Gibt es dennoch ab und an Fallkonstellationen, die Sie überraschen?
Albiez: Selbstverständlich gibt es regelmäßig Situationen und Wendungen im Verhandlungssaal, die auch für routinierte Verhandler:innen überraschend und mitunter herausfordernd sind. Wichtig ist gerade auch in solchen Situationen, Ruhe zu bewahren. Wenn ich mir in einer solchen Situation unsicher bin, was die prozessual beste Reaktion ist, schaue ich durchaus auch während der Verhandlung in der Prozessordnung oder einem Kommentar nach. Das ist weder unzulässig noch ein Zeichen von Schwäche. Ganz im Gegenteil: Meine Erfahrung ist, dass dann regelmäßig recht rasch auch Richter:in und Gegenvertreter:in zu blättern beginnen.
Vielen Dank für das Gespräch!