Stimme des Monats März
Der österreichische BWG-Experte Univ.-Prof. Dr. Markus Dellinger im Interview mit LexisNexis über Entwicklungen im Genossenschaftsrecht, die Komplexität der Materie im Allgemeinen und die Wichtigkeit einer ausgewogenen Balance und guten Mischung.
Sie sind seit 2005 Herausgeber von Premium-Werken wie bei LexisNexis. Das Vorläuferwerk zu Ihrem Genossenschafts-Kommentar stammt aus dem Jahr 1989, wie haben Sie den Weg vom seinerzeitigen Verlag Orac zu nunmehr 20 Jahre LexisNexis und die Digitalisierung miterlebt und mitgestaltet?
Schon 1991 ist meine Dissertation zur Vorstands- und Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall bei Orac erschienen. Dahinter stand aber keine bewusste Entscheidung meinerseits für einen bestimmten Verlag, sondern schlicht der Umstand, dass es damals eine unter anderem von Professoren meines Instituts herausgegebene Reihe gab, nämlich die Schriften zum gesamten Recht der Wirtschaft. Dort konnte ich meine Dissertation unterbringen, ohne einen Druckkostenbeitrag leisten zu müssen. In weiterer Folge habe ich einige Projekte mit dem Verlag Manz umgesetzt. Zu LexisNexis zurückgekehrt bin ich dann tatsächlich mit der 1. Auflage des Genossenschaftsgesetzkommentars im Jahr 2005.
Gibt es aktuelle Entwicklungen im Genossenschaftswesen, wir haben mit Freude von einer Neuauflage des “GenG” gehört…?
In den Jahren seit der 2. Auflage des Genossenschaftsgesetzkommentars im Jahr 2014 hat sich in der Tat einiges getan auf diesem Rechtsgebiet. Vor allem wollen wir in der 3. Auflage das 2019 in Kraft getretene Genossenschaftsspaltungsgesetz kommentieren und auch die Ausführungen zur europäischen Genossenschaft oder „SCE“ vertiefen, weil es mittlerweile schon die eine oder andere SCE in Österreich gibt. Im aktuellen Regierungsprogramm steht außerdem etwas von der Umwandlung von Vereinen in Genossenschaften. Das ist eine interessante Sache, die wir gegebenenfalls natürlich auch noch berücksichtigen werden.
Ihr zweiter Publikationsschwerpunkt liegt im Bereich Bankenaufsicht, was macht Ihr “BWG” seit 2007 zu dem Standardwerk in Österreich?
Welches Werk jetzt als „das“ Standardwerk anzusehen ist, müssen andere beurteilen. Dass der von mir herausgegebene Kommentar sich einer gewissen Wertschätzung in den mit dem Bankaufsichtsrecht befassten Juristenkreisen erfreut, hat wohl mehrere Ursachen. Wir haben auf derzeit knapp 5.900 Seiten genügend Platz, um die Probleme wirklich tiefgehend zu erörtern. Wir haben ein erstklassiges Team von Autorinnen und Autoren, die in dem von ihnen bearbeiteten Bereich auch durch ihre tägliche Praxis zu Hause sind. Ein Mensch allein könnte das bei der heterogenen Materie rein fachlich kaum, geschweige denn würde einer allein mit der Produktivität des Gesetzgebers Schritt halten können (wir müssen in dem Bereich jährlich im Schnitt ca vier Novellen verarbeiten, um aktuell zu bleiben). Außerdem glaube ich, dass wir mit diesem Werk auch in formaler Hinsicht ein hohes Niveau erreichen. Das beginnt mit der Satznummerierung des Gesetzestextes, geht über die zitierfähige Aufbereitung der Materialien bis hin zu aussagekräftigen Gliederungen, durch die man das Gesuchte rasch findet.
Das Zusammenspiel der nationalen mit der europäischen Bankenaufsicht wurde 2014 durch den CRR-Kommentar sichtbar und unseren Kunden zugänglich. Durch diese beiden Werke wird die Komplexität der Materie sichtbar. Braucht es aus Ihrer Sicht weitere (bessere) Regularien oder mehr Liberalisierung?
Sie werden niemanden finden, der in der Praxis auf Bankenseite mit dem Aufsichtsrecht zu tun hat und denkt, wir bräuchten mehr Regularien. Das Kreditwesengesetz 1979 kam noch mit 37 Paragraphen aus. Heute benötigen wir für den Kodex Finanzmarktrecht vier Bände und der Band I musste kürzlich auf zwei Teilbände gesplittet werden, weil er sonst zu dick geworden wäre. Dabei sind im Kodex die EBA Guidelines, die EBA Q&As und die Rundschreiben der FMA noch gar nicht enthalten. Von einer Liberalisierung wagt ohnehin kaum jemand zu träumen, aber eine Drosselung der Wachstumsgeschwindigkeit wäre durchaus wünschenswert.
Ihre Werke, auch der mit Prof. Zib herausgegebene UGB-Kommentar, sind die perfekte Mischung aus wissenschaftlich fundiert und praktisch orientiert, wie gelingt Ihnen diese Balance?
Danke für die Bescheinigung einer guten Balance, aber das ist eine Frage der inhaltlichen Qualität der Kommentierungen und die hängt weniger vom Herausgeber als vielmehr von den Autorinnen und Autoren ab. Diese sind für ihre Beiträge wissenschaftlich jeweils selbst verantwortlich. Als Herausgeber kann man nur einige äußerliche Vorgaben machen und sich gute Leute suchen. Je weniger die Autorinnen und Autoren es gewöhnt sind wissenschaftlich zu publizieren, desto mehr fachlichen und formalen Input muss man manchmal geben.
Nach welchen Kriterien treffen Sie die Auswahl Ihrer Autoren?
Da habe ich kein spezielles „Beuteschema“. Die Vorgangsweise ist auch von Kommentar zu Kommentar ganz unterschiedlich. Beim UGB-Kommentar waren die allermeisten Autorinnen und Autoren schon vorher aus der Literatur bekannt. Beim GenG-Kommentar habe ich dagegen überwiegend mit Leuten aus der Praxis zusammengearbeitet, die sich zwar bestens auskennen, aber zu Beginn eher wenig Publikationserfahrung hatten. Beim BWG-Kommentar freue ich mich, dass wir ein buntes Team haben, in dem sowohl FMA-Mitarbeiter als auch Bankjuristen aus verschiedenen Sektoren, Bankprüfer sowie im Bankbereich tätige Anwältinnen und Anwälte vertreten sind.
Vielen Dank für das Gespräch!
Univ. Prof. Dr. Markus Dellinger ist Syndikus des Österreichischen Raiffeisenverbandes und Professor am Institut für Unternehmensrecht der Johannes Kepler Universität Linz. Er hat sich am Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht der Uni Wien habilitiert. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Gesellschafts-, Insolvenz und Bankaufsichtsrecht. Er ist Herausgeber und Mitautor führender Kommentare zum Bankwesengesetz, zum Genossenschaftsgesetz, zum Unternehmensgesetzbuch und zum Eigenkapitalersatzgesetz.