Die Stimme des Monats Univ.-Prof. Dr. Susanne Auer-Mayer, stellvertretende Institutsvorständin des Instituts für Österreichisches und Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht an der WU Wien im Gespräch mit LexisNexis über die Angleichung der Kündigungsfristen und die Auswirkungen der Digitalisierung im Arbeits- und Sozialrecht.
Frau Professor Auer-Mayer, Sie haben an der Kommentierung einiger Paragrafen in Band 7 des ABGB Praxiskommentars mitgewirkt, der kürzlich in 5. neu bearbeiteter Auflage erschienen ist. Hier haben Sie unter anderem § 1159 ABGB kommentiert, der in der nun ab 1. 10.2021 gültigen Fassung die Kündigungsfristen der Arbeiter in Angleichung an jene der Angestellten nach § 20 AngG neu regelt. Ist damit nun – was das Thema Kündigungsfristen und -termine betrifft – die Angleichung der Arbeiter an jene der Angestellten endgültig vollzogen?
§ 1159 neu trifft dem Grunde nach mit § 20 AngG korrespondierende Regelungen und bringt daher insoweit tatsächlich eine Angleichung der Kündigungsfristen der Arbeiter an jene der Angestellten. Davon wurde allerdings eine bedeutsame Ausnahme gemacht: Durch Kollektivvertrag können sowohl für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, als auch für überlassene Arbeitskräfte abweichende Regelungen festgelegt werden. Die Sozialpartner haben somit hier die Möglichkeit, weiterhin kürzere Kündigungsfristen für die Arbeiter vorzusehen. Dass die Angleichung politisch durchaus umstritten war, zeigt sich auch daran, dass nach dem ursprünglichen Initiativantrag ein Inkrafttreten der Neuregelung bereits mit 1.1.2018 geplant war, dieser Zeitpunkt aber im Plenum auf den 1.1.2021 verschoben wurde. In Folge der COVID-19-Pandemie wurde die Angleichung schließlich erneut zunächst um ein weiteres halbes Jahr und sodann auf den 1.10.2021 verschoben.
Ihre Dissertation, erschienen bei LexisNexis, haben Sie seinerzeit zum Thema Behinderung und Arbeitsrecht verfasst. Weshalb haben Sie sich für dieses Thema entschieden?
Ich halte es nicht nur vor dem Hintergrund der Verpflichtungen der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern auch aus sozialpolitischer Sicht für essentiell, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund fand ich es spannend, die zahlreichen Sonderreglungen, die es im Bereich des Arbeitsrechtes für Menschen mit Behinderungen gibt, systematisch näher zu untersuchen. Dabei eignete sich das Thema vor allem deshalb für eine Dissertation, weil es damals keine wissenschaftliche Gesamtdarstellung des „Sonderarbeitsrechtes“ zugunsten von Menschen mit Behinderungen gab. Auch waren die Antidiskriminierungsbestimmungen noch neu und daher kaum näher untersucht. Es gab somit zahlreiche spannende Fragen (letztlich sogar noch viele mehr, als ich erwartet hatte), die ich behandeln konnte.
Die Digitalisierung ist heutzutage überall auf dem Vormarsch. Welche arbeitsrechtlichen Auswirkungen der Digitalisierung sehen Sie insbesondere?
Die Digitalisierung führt zu einer Vielzahl arbeitsrechtlicher Fragen, die vom geltenden Recht nicht oder zumindest nicht eindeutig beantwortet werden. Einige davon haben viele von uns in den letzten Monaten am eigenen Leib gespürt, indem unerwartet Arbeit im Homeoffice nötig wurde. Damit wurden nicht nur Fragen der Arbeits- und Ruhezeit, der Kontrolle oder auch des Datenschutzes bei „entgrenzter Arbeit“ virulent. Für viele Arbeitnehmer stellte sich schon die Grundfrage, ob sie aus Angst vor Ansteckung mit Covid-19 einseitig ins Homeoffice wechseln oder umgekehrt vom Arbeitgeber dazu „gezwungen“ werden können. Auch etwa die Problematik, ob der eigene private Laptop und Drucker verwendet werden muss oder wie es mit der Haftung aussieht, wenn etwa ein Kind oder der Stubentiger Kaffee über das dienstliche Notebook schüttet, betraf plötzlich eine Vielzahl von Arbeitnehmern. Für Teilbereiche hat der Gesetzgeber inzwischen versucht, mit dem Homeoffice-Maßnahmenpaket Lösungen zu schaffen, weitere Regelungen werden aber wohl – nicht nur in Bezug auf Arbeit im Homeoffice oder „Remote Work“ – folgen (müssen). So ist nach dem geltenden Recht etwa auch offen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Betriebsversammlung oder Betriebsratssitzung virtuell als Videokonferenz abgehalten werden kann. Ebenso wirft bspw der zunehmende Einsatz von Algorithmen im Personalmanagement neue Fragen auf. Nicht zuletzt steht angesichts neuer Arbeitsformen, wie Plattformarbeit, der Arbeitnehmerbegriff als solcher – und damit die „Eintrittskarte“ zum Arbeitsrecht – auf dem Prüfstand.
Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich derzeit schwerpunktmäßig in der Forschung?
Ein Schwerpunkt meiner Forschung liegt gerade in den vorstehend genannten Auswirkungen der Digitalisierung im Arbeits- und Sozialrecht. Ich beschäftige mich also etwa mit Fragen im Zusammenhang mit Homeoffice und mobiler Arbeit, mit möglichen Anpassungserfordernissen im Bereich des Betriebsverfassungsrechtes oder mit dem Einsatz von Algorithmen im Arbeitsrecht. Daneben bin ich auch dem Thema „Behinderung und Arbeitsrecht“ treu geblieben und beschäftigte mich etwa auch mit Fragen des Arbeitszeitrechtes. Im Sozialrecht arbeite ich derzeit im Bereich des Vertragspartnerrechtes.
Und wenn Sie sich gerade einmal nicht mit der Juristerei beschäftigen, welchen Hobbies gehen Sie nach bzw welchen Ausgleich suchen Sie zum sicherlich intensiven Arbeitsalltag?
Sofern es das Wetter zulässt, verbringe ich meine Freizeit gerne im Freien, gehe also wandern, Rad fahren oder spiele mit meinem Mann eine Runde Tischtennis. Im Winter gehe ich gerne langlaufen und habe mir im letzten Jahr nach längerer Pause auch wieder eine Skiausrüstung zugelegt. Daneben gehe ich gerne ins Konzert oder gut Essen. Manchmal darf es aber auch einfach ein Glas Wein auf der Couch vor dem Fernseher sein.
Vielen Dank für das Gespräch!