Das Jahr 2020 ist auch in der Gesetzgebung ein besonders dynamisches. Unter anderem trat im Juli das neue Investitionskontrollgesetz (InvKG) in Kraft. Unsere „Stimme des Monats September“, Dr. Johannes Barbist, MA hat sich gemeinsam mit Dr. Regina Kröll und Dr. Florian Khol (BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte) im Kurzkommentar „Das neue Investitionskontrollrecht“ mit den zentralen Fragen zum neuen Gesetz auseinandergesetzt.
Wir haben Dr. Johannes Barbist, MA in unserem Interview nun ua zu den wichtigsten Neuerungen durch das InvKG befragt:
Sie haben gemeinsam mit Dr. Regina Kröll und Dr. Florian Khol bereits ein Monat nach Inkrafttreten des neuen InvKG einen Kurzkommentar dazu veröffentlicht. Welche wichtigen Neuerungen bringt das InvKG für Unternehmen?
Die Investitionskontrolle stellt den Erwerb österreichischer Zielunternehmen durch „Drittstaatler“ (Personen und Gesellschaften außerhalb des EWR und der Schweiz) unter eine staatliche Genehmigungspflicht. Dies gilt aber nur dann, wenn das Zielunternehmen in einem für die Sicherheit und öffentliche Ordnung kritischen Bereich tätig ist. Das ist nicht neu. Neu ist aber, dass die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) ausländische Direktinvestitionen nunmehr in einem viel größeren Umfang prüfen kann.
Beispiel: Der Erwerb von 10% der Stimmrechte kann bereits genehmigungspflichtig sein, wenn das österreichische Zielunternehmen in einem besonders kritischen Bereich tätig ist (also z.B. Forschungsaktivitäten im Bereich Arzneimittel und persönliche Schutzausrüstung betreibt).
Wir haben in den letzten Wochen erlebt, dass die Verkäuferseite bei der Verhandlung der Transaktionsdokumente teilweise mit wenig Sensibilität an die Sache herangeht. Das M&A-Geschäft verlangt aber Transaktionssicherheit. Ein echtes Risiko, dass die BMDW nach Closing von Amts wegen einschreitet und im Worst-case-Szenario sogar die Transaktion untersagt, muss daher in der Praxis vermieden werden. Das neue InvKG schafft hier leider große Rechtsunsicherheit. Die Beratungspraxis reagiert mit vermehrten Genehmigungsanträgen. Wir haben bereits in den ersten Wochen zwei Anträge eingereicht und arbeiten derzeit an zahlreichen weiteren Mandaten in diesem Bereich. Die Investitionskontrolle ist ein echtes THEMA geworden.
Ihr Schwerpunkt liegt im öffentlichen Wirtschaftsrecht. Was macht dieses Rechtsgebiet besonders spannend?
Die Vielfalt, das Fundamentale und die politische Komponente. Viele Wirtschaftssektoren unterliegen besonderen Aufsichtsregeln – denken Sie nur an Life Sciences, Energie, Telekommunikation. Dazu kommen allgemeinere Themen wie Verwaltungsverfahren und Gewerberecht. Besonders spannend sind aber verfassungs- und grundrechtliche Fragen. Die großen Themen, die großen Entscheidungen, die großen rechtlichen Fragen unserer Zeit betreffen auch und gerade das öffentliche Wirtschafts(-verfassungs-)recht. Beispiel gefällig? Auf europäischer Ebene wird aktuell geprüft, mit welchen Instrumenten ein Level playing field im globalen Wettbewerb herbeigeführt werden könnte. Wie positioniert sich Europa gegenüber Drittstaatsunternehmen, die staatlich finanziert oder gelenkt werden? Investitionskontrolle ist nur eine Antwort. Das Beihilfe- und Vergaberecht könnte hier ebenso wichtig werden. Wir beobachten diese Entwicklungen jedenfalls sehr genau.
Sie publizieren regelmäßig – ändert das Verfassen von Fachartikeln und -büchern auch die Sicht auf die Beratung?
Na ja. Am Beginn jeder sorgfältigen Rechtsberatung steht die fundierte Kenntnis der Rechtslage. Publikationen sind ein Instrument, um sich gerade mit neuen Entwicklungen in der Tiefe auseinanderzusetzen. Dass dies sehr positive Auswirkungen auf unsere Beratungspraxis hat, sehen wir gerade am Beispiel der Investitionskontrolle. Publikationen ermöglichen quasi den Spagat zwischen einer sachlich fundierten und effizienten Beratung.
Das Jahr 2020 ist ein besonders herausforderndes Jahr für uns alle. Gibt es aus Ihrer Sicht auch besonders positive Aspekte in dieser Zeit?
In den ersten Monaten war ein allgemeines Zusammenrücken zu beobachten. Ob die Krise unser gesellschaftliches Leben und unser Wirtschaften nachhaltig und mehr in Richtung Nachhaltigkeit verändert, werden wir sehen. Auch vor diesem Hintergrund finde ich gerade die Debatte um den Wintertourismus in Westösterreich spannend.