Nachbericht zu Women in Law: „Welche Strukturen für mehr Frauen in Anwaltskanzleien?“
Viele Unternehmen sprechen sich in der Theorie schon lange für eine aktive Gleichberechtigungspolitik aus. Die (aktuell virtuellen) Women in Law Business Breakfasts widmen sich der Frage, wie es in der männerdominierten Rechtsbranche darum bestellt ist. Nach wie vor scheiden mehr Frauen als Männer aus dem Anwaltsberuf aus. Daher widmete sich das dritte Business Breakfast am 4.3. der Frage mit welcher Struktur sich mehr Frauen in die Anwaltskanzlei bringen und auch dort halten lassen. Sophie Martinetz (Managing Partnerin bei Future Law) moderierte die digitale Veranstaltung.
Mit der Frage, ob COVID-19 einen Einfluss auf die Gleichberechtigung gehabt habe richtete sie sich an Mag. Susanne Mortimore (Geschäftsführerin LexisNexis). Diese wies darauf hin, dass durch zahlreiche Studien belegt sei, dass ein hoher Frauenanteil zum Unternehmenserfolg beitrage. Auch habe COVID-19 in Bezug auf die Gleichberechtigung einen positiven Einfluss gehabt. Sie ist überzeugt, dass Selbstbestimmung, Flexibilität und Vertrauen über Corona hinaus bleiben werden und sich durchaus etwas verändert habe. Das Vertrauen habe zugenommen, alle waren zu Flexibität herausgefordert und Selbstverständliches wurde überdacht.
Mag. Bettina Knoetzl (Partnerin bei Knoetzl) dagegen war der Meinung, dass COVID-19 sehr wohl negative Auswirkungen habe. Zwar habe die Zahl der Partnerinnen in den Kanzleien in den vergangenen 10 Jahren zugenommen, durch Corona sei die Gleichberechtigung aber auch wieder Schritte zurück gegangen. Gleichzeitig falle ihr aber eine positive Änderung in der Einstellung bei den männlichen Kollegen auf. Gerade jüngere nehmen zunehmend Teilzeitmöglichkeiten in der Partnerschaft in Anspruch. Das gehe aber nur, wenn das Team mit Rücksichtnahme und Flexibilität zusammenarbeite.
Mag. Nadja Holzer (Partnerin HSP Rechtsanwälte) ist dafür, dass man nicht mehr auf das „Goodwill“ der männlichen Partner angewiesen sein sollte. Das System sollte grundsätzlich so sein, dass die Strukturen es den weiblichen Juristinnen ermöglichen Familie und Beruf zu vereinen, ohne Karriereeinbußen hinnehmen zu müssen. Mag. Christina Kober hat mitten in der Corona Pandemie den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Die neuen Arbeitsweisen legten quasi automatisch den Grundstein für flexible Strukturen und diese gelten in ihrer Kanzlei für Frauen und Männer gleichermaßen.
Caroline Weerkamp von Women in Law ist überzeugt, dass die meisten Frauen in der Branche durchaus dafür einstehen, dass ihre Leistung dasselbe wert ist. Wie man Familie und Beruf vereinbare sei auch eine individuelle Lösung. Dennoch liegen die Strukturprobleme noch immer daran, dass die Männer mehr zuhören müssten und Frauen wie Männer „unconcious bias“ überwinden müssten, damit sich nachhaltig etwas verändert. Eine Kernaussage der vorangegangenen Women in Law Diskussionsrunde bezog sich darauf, dass nicht nur die Kanzleien im Umdenken gefordert sind, sondern auch die Mandanten.
Hier ergänzte Mag. Luciano Duque-Cordero (Legal Councel Bank Austria), dass auch seitens der Mandanten Veränderungen eingefordert werden. Unternehmen, die sich intern für Gleichberechtigung stark machen fordern dies auch von ihren Dienstleistern, sprich den Kanzleien ein. Diversity werde nicht nur im eigenen Unternehmen gelebt, sondern auch vom Umfeld erwartet, weil man um die positiven Effekte wisse.
Zum Ende der Diskussionsrunde warf die Moderatorin die Frage auf, wie die Standesvertretung zu diesen Fragen stehe. Mag. Bettina Knötzl, Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer Wien verwies auf das umfangreiche Informationsangebot. Hier sei viel passiert und ein Ausbau des Beratungsangebotes sei in Planung. In anschließenden Kleingruppen wurde das spannende Thema weiter diskutiert. Das Ergebnis waren konkrete Vorschläge, welche strukturellen Veränderungen es ermöglichen, Frauen in den Anwaltskanzleien zu halten. Die Vorschläge reichten von verstärktem Networking, Erarbeitung eines Papers mit Vorschlägen wie die Kammer noch mehr zum Thema beitragen kann, mehr Flexibilität durch bessere Kinderbetreuung zu schaffen oder die Steigerung der Akzeptanz für Teilzeitarbeit. Selbstverständlich auch für Männer.
Angesprochen wurde auch das Thema, dass öffentliche Auftraggeber eine „Frauenquote“ von den Kanzleien fordern können. Dazu Ruth Bittner, Associate, CMS: „Die Beauftragung mit Rechtsberatungsleistungen unterliegt dem Vergaberecht (es gibt auch viele Vergabeverfahren dazu) und das Vergaberecht sieht sogar explizit die Förderung von sozialpolitischen Belangen, ua Frauenbeteiligung, vor. Öffentliche Auftraggeber könnten daher auf einfachem Weg dieses Thema forcieren und zu strukturellen Änderungen beitragen, zum Beispiel indem nicht nur der Preis bewertet wird, sondern ein Unternehmen auch für die Anzahl der beschäftigten Frauen Punkte erhält.“
Aus den Diskussionen sind weiterführende Initiativen entstanden. Wer zum Vergaberecht oder den Themen „Anwaltschaft & Frauen“ Ideen und Anregungen hat, oder einen allgemeinen Austausch wünscht ist hiermit ausdrücklich aufgefordert sich direkt mit Women in Law in Verbindung zu setzen. https://women-in-law.org/kontakt/