Das Kinderbetreuungsgeld (KBG) stellt die wichtigste staatliche existenzsichernde Leistung für Eltern in der Kleinkindphase dar, erregt daher ob seiner gesellschaftlichen Bedeutung seit Jahren das mediale Interesse und ist als Spielball der Politik regelmäßig kleineren und größeren Änderungen unterworfen. Mit Einführung eines Kinderbetreuungsgeld-Kontos samt Partnerschaftsbonus und vielen kleineren Adaptierungen erfolgte eine Umstrukturierung des Gesetzes.
Die Herausgeberin und der Herausgeber Mag. iur. Silvia Maria Holzmann-Windhofer und Mag. iur. Markus Weißenböck über die wichtigsten Neuerungen, die in der Neuauflage des bedeutenden Kommentars eingearbeitet wurden, in welchen Bereichen die beiden weiterhin besonderen Handlungs- bzw Verbesserungsbedarf orten und warum der aktuelle Kommentar in keiner Bibliothek fehlen darf.
Nunmehr ist Ihr Kommentar zum Kinderbetreuungsgeldgesetz und Familienzeitbonusgesetz in der 2. Auflage erschienen. Was sind die wichtigsten Neuerungen, die in der Neuauflage eingearbeitet wurden?
Silvia Maria Holzmann-Windhofer und Markus Weißenböck: Wir haben eine umfassende Aktualisierung aller Bereiche, bedingt durch die Rechtsprechung und kleinere Gesetzesänderungen, vorgenommen. Der Europarechtsteil wurde umfassend überarbeitet und adaptiert und zB die Besonderheiten der Auswirkungen des BREXIT dargelegt. Notwendigen Erweiterungsbedarf sahen wir aber auch im Hinblick auf den Praktikerinnenbezug, weshalb wir nicht nur die Mutter-Kind-Pass-Verordnung aufgenommen haben, sondern den Kommentar auch um die behördlichen Formulare, Bestätigungen und Informationsblätter, eine Kontotabelle mit allen aufgelisteten Tagesbeträgen oder etwa eine Liste mit den Kinderbetreuungsgeld-Leistungen der anderen EU-Staaten ergänzt haben. Schließlich sei auch auf die bewusste, ausschließliche Verwendung der weiblichen Form hingewiesen werden, eine Besonderheit unter allen Kommentierungen.
An wen richtet sich der Kommentar und warum sollte er genutzt werden?
Silvia Maria Holzmann-Windhofer und Markus Weißenböck: Der Kommentar richtet sich an alle Personen, die in der Rechtsberatung, Rechtsanwendung und in der Rechtsgestaltung tätig sind, sei es eine Richterin am Arbeits- und Sozialgericht, sei es die Steuerberaterin bei der Berechnung der Zuverdienstgrenze, die Verfahrensanwältin bei der Vorbereitung des Schriftsatzes oder die Verfahrensvertreterin des Krankenversicherungsträgers in der Verhandlung, die Beratungsstelle bei Fragen von Eltern über die Anspruchsberechtigung usw.
Was unterscheidet Ihren Kommentar von anderen Werken und warum darf er in keiner Bibliothek fehlen?
Silvia Maria Holzmann-Windhofer und Markus Weißenböck: Dieser Kommentar behandelt viele bis dato unbekannte rechtliche Detailfragen zu den Leistungsarten, die in der Gesetzwerdung und Vollziehung in die Überlegungen einfließen. Die Rechtsanwenderin findet daher in diesem Werk auch Antworten auf eine Vielzahl von Fragen, die sich in der Praxis erst in Zukunft stellen werden. Man ist mit diesem Praxis-Kommentar daher stets bestens gewappnet.
Welche Judikatur oder legistische Änderung in jüngerer Zeit empfinden Sie als besonders bemerkenswert?
Silvia Maria Holzmann-Windhofer und Markus Weißenböck: Die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Zuverdienstgrenze, in der dieser divergierend von der bisherigen ständigen Rechtsprechung ausschließlich für Selbstständige vom Zuflussprinzip (es zählt der Zufluss der steuerrechtlichen Einkünfte während des Leistungsbezuges) zum Tätigkeitsprinzip (es zählen die Einkünfte, die auf die während des Leistungszeitraumes ausgeübten Tätigkeiten entfallen, unabhängig davon, wann diese zufließen) abwich. Diese Judikaturänderung stellt sowohl Eltern als auch die Vollzugsbehörden vor die schwierige Aufgabe der Umsetzung derselben in der Praxis, kann den Erfahrungen nach doch keine selbstständig tätige Mutter jede einzelne Tätigkeit, die sie während des Kinderbetreuungsgeldbezuges (sowie davor und danach) ausübte, einem konkreten Betrag zuordnen. Dies, da keine Rechnung derart aufgeschlüsselte Leistungsbeträge und Leistungszeiträume enthält.
Das Kinderbetreuungsgeldgesetz als vergleichsweise eher junges Gesetz wurde bereits vielfach novelliert. In welchen Bereichen orten Sie weiterhin besonderen Handlungs- bzw Verbesserungsbedarf?
Silvia Maria Holzmann-Windhofer und Markus Weißenböck: Der Grundsatz der Wahlfreiheit für alle Eltern, von dem sich die Gesetzgeberin bislang tragen lässt, ist zu unterstützen. Die damit einhergegangene Verkomplizierung führt jedoch zunehmend zur nachvollziehbaren Forderung nach Grenzen der Wahlfreiheit im Sinne einer Vereinfachung der Regelungen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Herausgeberin und der Herausgeber:
Mag. iur. Silvia Maria Holzmann-Windhofer ist stellvertretende Leiterin und Cheflegistin der Abteilung Kinderbetreuungsgeld und Familienzeitbonus (sowie familienpolitische Angelegenheiten im Bereich Arbeits- und Sozialrecht) im Bundeskanzleramt, fachkundige Laienrichterin am Bundesverwaltungsgericht und Personalvertreterin (ua Vorsitzende des Dienststellenausschusses Familie und Jugend im Bundeskanzleramt). Sie ist darüber hinaus fallweise als Autorin und Vortragende tätig.
Mag. iur. Markus Weißenböck ist stellvertretender Abteilungsleiter des im Fachbereich Leistung der Österreichischen Gesundheitskasse eingerichteten Themenfelds „Zwischenstaatliches Leistungswesen“. Zuvor war er über zwölf Jahre lang mit Rechtsfragen betreffend das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Familienzeitbonusgesetz befasst. Er ist darüber hinaus als Autor, als Referent bei Fachtagungen und als Vortragender an der Akademie des Dachverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger tätig.