Susanne Mortimore und Reinhard Willfort diskutieren erfolgreiche Innovations-Strategien. Das Interview führte Paul Kampusch:
„Innovation ist der Treibstoff für unternehmerischen Erfolg und nachhaltiges Wachstum. Zwei Persönlichkeiten, die sich durch ihre innovativen Ansätze einen Namen gemacht haben, kommen heute zusammen, um ihre Gedanken und Erfahrungen im Bereich der Innovation zu teilen.
- Susanne Mortimore ist seit 2020 CEO von LexisNexis Österreich, einem führenden Anbieter von intelligenter und innovativer Rechtsinformation, und verantwortet den erfolgreichen Expansions- und Digitalisierungskurs des Unternehmens. Als ein Innovationsvorreiter kombiniert LexisNexis hochwertige Fachliteratur mit zukunftsweisenden digitalen Lösungen, die seinen Kunden zu relevanteren Antworten verhelfen. LexisNexis steht kurz vor einem nächsten Technologiesprung und integriert generative AI-Lösungen in die Recherche-Plattform.
- Reinhard Willfort ist Fachbuchautor und Verfasser von mehr als 60 Publikationen und koordiniert den Masterlehrgang Innovationsmanagement an der Donau-Universität Krems. Er lehrt in den Fächern Innovations- und Wissensmanagement an der Donau Universität Krems, FH Eisenstadt, FH Joanneum, FH Wiener Neustadt, New Design University und der University of Salzburg Business School. Als Berater, Trainer und Universitätslektor beschäftigt er sich mit Crowdsourcing, Crowdfunding, Open Innovation, Ideenmanagement und der Förderung von Kreativität am Wissensarbeitsplatz der Zukunft. 2001 gründete er das Unternehmen ISN – Innovation Service Network, und er betreut viele Top-Unternehmen im Innovations- und Wissensmanagement. 2022 hat er als Co-Founder den European Digital Innovation Hub „Crowd in Motion“ gegründet und arbeitet unter anderem mit einem Konsortium, das aus sieben Partnerorganisationen besteht, an der digitalen Transformation von KMU und dem öffentlichen Sektor.
Diese beiden Persönlichkeiten sind nicht nur erfolgreiche Geschäftsführer ihrer Unternehmen, sondern gelten auch als Pioniere in ihren Branchen. Ihre innovativen Ideen haben nicht nur Märkte verändert, sondern auch die Art und Weise, wie wir über unternehmerische Herausforderungen und Chancen nachdenken.
Tauchen Sie ein in einen fesselnden Austausch über Ideen, Risiken, Erfolge, Strategien, Unternehmensstrukturen, digitale Trends und Tools sowie die unaufhörliche Suche nach neuen Wegen, die Unternehmenswelt zu gestalten. Willkommen zu einem Gespräch, das nicht nur Einblicke in die Gegenwart, sondern auch Ausblicke auf die Zukunft der Innovation bietet und sich um die Frage dreht: Was macht ein innovatives Unternehmen aus?
Welche Schritte führen zu einer Entwicklung hin zu einem innovativen Unternehmen, und wie können Unternehmen ihre Innovationskraft stärken?
Reinhard Willfort: Der Innovationsdruck steigt in allen Branchen, und doch ist ein professioneller Zugang zum Thema Innovation für viele Unternehmen noch neu oder schwer zu etablieren. Gute Ideen sind die Basis von Innovationen, aber sie sind noch nicht die Innovation. Ideen entstehen nicht nur zufällig unter der Dusche, sondern können systematisch mit Kreativitätsmethoden entwickelt werden. In Unternehmen liegen gute Ideen oft in den Schubladen der Mitarbeiter:innen bereit, aber es gibt keinen Rahmen und keine Ressourcen, um sich damit weiter zu beschäftigen. Was es für die Umsetzung eines professionellen Innovationsmanagements in Organisationen braucht, habe ich in den letzten 25 Jahren aus Anwendungserfahrung und Forschungsarbeiten laufend entwickelt. Grundsätzlich lassen sich grob drei Bereiche identifizieren, an denen man ansetzen kann: Strategie – Menschen – Technologie! Der wichtigste Aspekt aber ist: „Innovation ist immer Chefsache!“ Die Schlüsselrollen für Innovation haben in Unternehmen das Top-Management und insbesondere die Geschäftsführer:innen, in Familienunternehmen oft auch die Eigentümer:innen. Viele Schwerpunkte in Unternehmen sind bereits „Chefsache“, z.B. Finanzen, Personal, Kundengewinnung. Dazu gekommen sind in letzter Zeit Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Alle genannten Themen wirken auf das Querschnittsthema Innovation bzw. können mit einem professionellen Innovationsmanagement gestaltet werden. Innovationsleader in der jeweiligen Branche werden oft von Persönlichkeiten geführt, die Innovation ausstrahlen und authentisch mit Aktivitäten und Entscheidungen untermauern. Die legendären Produktlaunches von Steve Jobs kommen einem dazu schnell in den Sinn. Innovationleader müssen aber auch in der Lage sein, sich vor ihre Mitarbeiter:innen zu stellen, um die strategische Richtung, die Ziele und vor allem den Innovationsspirit für ALLE unmissverständlich zu kommunizieren und authentisch vorzuleben.
Die Unternehmensführung hat das Potenzial, Ressourcen für Innovationsprojekte bereitzustellen und Mitarbeiter:innen zu motivieren, Ideen einzubringen. Sie kann die Umsetzung neuer Ideen fördern und zur Beschreitung neuer Wege ermutigen. Innovation beeinflusst damit auch massiv die Kultur des Unternehmens für Veränderungen und Erneuerung. Als Innovationleader und CEO sollte man dazu folgende wichtige Punkte beachten:
- Strategische Unternehmensführung – Innovationsprojekte gehen meist über Budgetperioden hinaus und benötigen daher eine längerfristige Planung und Orientierung.
- Timing und Ressourcenzuordnung – der Innovationsprozess entzieht der Wertschöpfung beim Übergang von alten zu neuen Produkten Ressourcen; es gilt die Organisation in einer ambidextren Funktionalität auszurichten.
- Fehlerkultur – Innovation ist kein linearer Prozess, und die Komplexität von neuen Lösungen ist immer höher. Man muss damit rechnen, dass es Rückschläge oder Projektabbrüche gibt. Dazu braucht es Mut und klare Entscheidungen.
- Ressourcen – Innovation braucht Risikokapital und die Zeit von Mitarbeiter:innen; damit muss auch geregelt werden, wohin die Mitarbeiter:innen die Zeit für Zukunftsprojekte buchen.
Man kann es hier an diesem Punkt auch mit den Worten von Alexander Osterwalder zusammenfassen: „Dem CEO, dem Unternehmenseigentümer kommt die zentrale Rolle des Innovation Enablers zu, und er sollte sich mindestens 40-60% seiner Zeit mit Innovation beschäftigen.“
LexisNexis geht seit einigen Jahren durch einen bewusst ausgerufenen und konsequent vom Management vorangetriebenen strukturellen und inhaltlichen Veränderungsprozess. Welchen Stellenwert nimmt dabei Innovation ein?
Susanne Mortimore: Egal ob digitale Transformation oder hochkomplexe technologische Entwicklungen, die sich ändernde Umwelt hat einen großen Einfluss auf die Unternehmensorganisation. Künstliche Intelligenz, neue Wettbewerber und veränderte Kundenbedürfnisse fordern klassische Organisationsformen heraus. Wir haben die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, radikal verändert, die Durchschlagskraft bei der Entwicklung von neuen Produkten erhöht und die Kommunikationstransparenz vereinheitlicht. Durch eine Reihe von strukturellen Änderungen, durch Prozessoptimierungsmaßnahmen und die Vereinheitlichung von Kommunikationswegen ist es uns gelungen, die Zeit- und Leistungsressourcen effizienter und im richtigen Ausmaß einzusetzen.
Unsere Unternehmensstrategie ist auf nachhaltiges Wachstum ausgerichtet. Um dies zu gewährleisten, optimieren wir bestehende Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen. Gleichzeitig werden wesentliche Ressourcen gezielt in Produktkonzepte oder Projekte investiert, die zwar noch nicht unmittelbar umsatzsteigernd sind, aber nachhaltig zum Unternehmenserfolg beitragen. Beachtliche 10% unserer Ressourcen fließen in Innovationsprojekte, in neue Ideen und zukünftige Produktideen, was ein deutliches Bekenntnis zu unserer Innovationsstrategie darstellt.
Kurze, transparente Entscheidungswege, agile Arbeitsweisen, die Verwendung einheitlicher Kommunikations- und Dokumentationskanäle und nicht zuletzt die Automatisierung repetitiver Prozesse tragen zu einer innovativen, den äußeren Umständen und inneren Herausforderungen angepassten Arbeitsweise und damit zu nachhaltigem Erfolg bei.
Ein wesentlicher Bestandteil unseres Veränderungsprozesses bestand darin, dass sehr viele Mitarbeiter:innen in selbstorganisierten Teams kollaborativ arbeiten. In unseren crossfunktional organisierten Gruppen liegt die Entscheidungsgewalt nicht bei einer Führungskraft, sondern bei den Expert:innen im Team selbst. Diese agilen, selbstorganisierten Teams tragen die Verantwortung für ihre Produkte oder Dienstleistungen. Dies führt zu einer gesteigerten Motivation und einer tieferen Identifikation mit den Produkten. Mitarbeiter:innen, die sich bewusst sind, dass sie experimentieren können und Fehler als Teil des Prozesses akzeptiert werden, entwickeln eine stärkere Bindung zu den Unternehmenszielen. Die Möglichkeit, ihren Job aktiv mitzugestalten, fördert ein höheres Maß an Verantwortungsbewusstsein und Engagement.
Wie verändert die Digitalisierung das Innovationsmanagement?
Reinhard Willfort: Die Herausforderungen, die die Digitalisierung an Unternehmen stellt, sind vielfältig. Der verstärkte Einsatz von Software, verkürzte Innovationszyklen und sich schnell ändernde Kundenbedürfnisse erhöhen den Innovationsdruck erheblich. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es entscheidend, nicht nur das Kerngeschäft schrittweise durch inkrementelle Innovationen weiterzuentwickeln, sondern auch neue Innovationspotenziale durch radikale Veränderungen zu erschließen. Vor diesem Hintergrund gewinnt ein systematisches digitales Innovationsmanagement zunehmend an Bedeutung.
In der Vergangenheit entstanden Innovationen oft im direkten Konkurrenzumfeld, während sie heute vermehrt von branchenfremden Unternehmen generiert werden. Daher ist für die Schaffung radikaler Ideen ein breit gestreutes Wissen erforderlich, das nicht allein intern im Unternehmen abgedeckt werden kann. Die Konzeption der „Open Innovation“ bietet die Möglichkeit, Kunden, Forschungseinrichtungen oder andere Unternehmen aktiv in den Innovationsprozess einzubeziehen. In speziellen Digital Innovation Units werden auch außerhalb des Kernunternehmens neue Ideen entwickelt und umgesetzt, um damit neue Geschäftsfelder zu erschließen. Dadurch entsteht ein individuelles Innovationsnetzwerk auf digitaler Basis, und es können drei Effekte beobachtet werden:
- Es kommen neue Ideen und Feedback auf breiter Basis, quer über das gesamte Unternehmen, zustande.
- Man entdeckt Wissen, das bisher nicht sichtbar und damit nicht nutzbar war. Man entdeckt aber auch Menschen, die sehr gute Ideen und Innovationen liefern, die im bisherigen Prozess nicht sichtbar waren.
- Durch die Vernetzung entsteht ein „dynamisches Gehirn“ des Unternehmens.
Die Digitalisierung erfordert insgesamt eine zunehmende Flexibilität im Unternehmen, um Unsicherheiten und den rasanten Wandel erfolgreich zu bewältigen. Durch die Anwendung agiler Methoden und die Implementierung einer digitalen Innovationsplattform können diese Herausforderungen gemeistert werden. Dabei findet eine iterative Lösungsgenerierung unter ständiger Einbindung neu gewonnener Informationen, sich ändernder Anforderungen und volatiler Kundenbedürfnisse statt.
Die Anwendungsbeispiele für digitale Innovation-Plattformen sind sehr umfassend und decken neben klassischen Bereichen wie New Business Models, New Product Development, Entwicklung radikaler Innovationen und Prozessoptimierung auch Entwicklungen ab wie Ideensammlung für Spin-offs, Fan Community-Aufbau für Brand Awareness, Umsetzung von Employer Branding-Maßnahmen, Durchführungen von Bürgerbeteiligung und Regionalentwicklung in Kommunen.
Wie sieht das Innovationsmanagement bei LexisNexis konkret aus?
Susanne Mortimore: Um ein erfolgreiches Innovationsmanagement zu gewährleisten, bedarf es nicht nur eines klaren Bekenntnisses zum Innovationsprozess, sondern auch einer klaren Vorgabe seitens des Managements. Die Innovationsstrategie ist integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie, und die Ziele sowie Erwartungen an die Mitglieder des Innovations-Teams sind bereits präzise definiert. Zur operativen Verantwortung des Innovationsmanagements haben wir eine dedizierte Ressource im Produktmanagement etabliert.
Das Ideenmanagement wurde im vergangenen Jahr durch die Einführung eines Innovationsawards gestartet, der alle Mitarbeiter:innen dazu ermutigte, ihre Ideen zu allgemeinen Innovationsthemen beizutragen. Diese Initiative erzielte eine beeindruckende Aktivierungsrate von über 85%, wobei insgesamt 56 Ideen sowohl individuell als auch im Team eingereicht wurden. Die hohe Qualität der eingereichten Ideen war ebenso erfreulich wie überraschend. Nach dem Einreichungszeitraum wurden die Ideen geclustert und in Vertiefungsworkshops weiterentwickelt. Zwei Themenclustern widmeten wir intensive eintägige Design-Thinking-Workshops. Bei der Teamzusammensetzung legten wir großen Wert auf Diversität, indem wir interdisziplinäre, abteilungsübergreifende Experten mit unseren Kunden kombinierten. Dabei konnten wir die Ideenentwicklung nahtlos mit dem Feedback unserer Kunden verknüpfen. Dies führte zu erstaunlichen neuen Ideen, da potenzielle Kunden bereits in der Ideenphase eingebunden waren.
Der diesjährige Innovationsaward fokussiert sich auf das Thema „Generative AI“, und die Anzahl der eingereichten Ideen und Innovationsprojekte war noch höher als beim ersten Award. Einige Einreichungen waren so überzeugend, dass sie direkt in laufende Produktentwicklungen integriert wurden.
Die Entscheidungsprozesse darüber, ob eine Idee weiterverfolgt oder umgesetzt wird, erfolgen durch die Innovationsverantwortlichen äußerst offen und transparent. Jede/r Mitarbeiter:in ist zu jedem Zeitpunkt über den Status seiner/ihrer Idee informiert, was einen wesentlichen Beitrag zu unserer gelebten Innovationskultur leistet
Was sind deine drei wichtigsten Tipps für einen CEO, der sein Unternehmen auf Innovation ausrichten möchte?
Reinhard Willfort: Erstens: Innovation muss immer top-down ausgerichtet sein, Innovation muss in der Strategie verankern sein und von allen Mitarbeitern eingefordert werden. Zweitens: Ressourcen in Form von Zeit und Budget müssen zur Verfügung gestellt werden. Drittens: Innovationen unbedingt zu Innovationen umsetzen! Nichts ist so frustrierend und demotivierend wie langwierige Prozesse, bei denen gute Ideen aufgrund von Ressourcenmangel im operativen Getriebe versanden. Damit vergrault und vertreibt man die internen Innovator:innen und kreative Köpfe.
Was waren die drei wichtigsten Learnings aus den beiden letzten Jahren?
Die letzten beiden Jahre waren sehr stark geprägt von Überzeugungsarbeit und und transparenter Kommunikation. Zusammenfassend kann ich drei Aspekte besonders hervorheben:
- Methoden oder Tools anzuwenden, heißt noch nicht, agil zu sein.
- In unseren Mitarbeitern steckt ein enormes innovatives Potenzial.
- Selbstverantwortung und Selbstorganisation der Teams führt zu einer enorm gesteigerten Ressourceneffizienz.
Vielen Dank für diese aufschlussreichen Einblicke. Im Abschluss dieses Experteninterviews wird deutlich, dass die Welt der Innovation einerseits von kreativen Denkansätzen, strategischem Handeln und einer offenen Haltung, aber auch von sehr viel Struktur und Diversität geprägt ist. Die Erfahrungen und Einblicke unserer beiden Experten haben gezeigt, dass Innovation nicht nur eine Notwendigkeit für den unternehmerischen Erfolg ist, sondern auch eine Reise, die ständige Anpassung erfordert sowie den Mut, neue Wege zu gehen, um neue Ideen zu finden.“ – Text: Paul Kampusch