Ein BAO-Klassiker trifft auf Tax Intelligence
Das neue Herausgeberteam des bewährten LexisNexis-Standardwerks, der „Stoll“-BAO, bestehend aus em. Univ.-Prof. Dr. Michael Tanzer, StB Mag. Robert Rzeszut und Dr. Peter Unger über den besonderen Stellenwert der Marke „Stoll“, die Harmonie zwischen Beratungspraxis, Gerichtsbarkeit und Wissenschaft und worauf der Fokus der neuen Stoll-BAO liegt im Gespräch mit LexisNexis.
Der von Gerold Stoll begründete BAO-Kommentar gilt [seit fast 30 Jahren] als unverzichtbare Literatur zur Lösung der [täglichen] steuerlichen Verfahrensfragen in Kanzleien, Unternehmen sowie in der Finanzverwaltung und Verwaltungsgerichten. Entsprechend groß war der Ruf nach einer Neuauflage. Was macht den besonderen Stellenwert der Marke „Stoll“, und deren besondere Qualität, aus? Wieso ist man gut beraten, die in der Stoll-BAO vertretene Meinung zu kennen?
Es gibt mehrere gute Kommentare zur BAO. Doch jener von Prof. Stoll sticht aufgrund seines Umfangs ganz besonders heraus. In keinem anderen Kommentar sind die abgabenverfahrensrechtlichen Vorschriften so grundsätzlich und in die Tiefe gehend kommentiert. Dies ist für die Praxis ganz wesentlich. Denn es ist unmöglich, in einem Gesetzeskommentar eine Antwort für jedes Rechtsproblem, das sich in der Praxis ergeben könnte, zu liefern. Je weiter Erläuterungen in einem Gesetzeskommentar in die Tiefe gehen, umso eher kann dieser den Rechtsanwender:innen dabei helfen, eine rechtsrichtige Lösung herauszuarbeiten. Diesem Anspruch wird kein Kommentar zum Abgabenverfahrensrecht so gerecht, wie der Stoll-Kommentar. In der 2. Auflage haben wir im Geiste von Prof. Stoll die letzten 30 Jahre an Rechtsentwicklung im Abgabenverfahren – mit dem Bemühen um denselben Tiefgang und Detailreichtum – zu Papier gebracht.
Wie darf man sich das Zusammenwirken im Herausgeberteam hinter den Kulissen vorstellen? Haben Sie eine Arbeitsteilung vereinbart? Es scheint im Kollegium eine ausgesprochene Harmonie zwischen Beratungspraxis, Gerichtsbarkeit und Wissenschaft zu herrschen.
Genau in dieser Harmonie liegt die Stärke der Neuauflage des Stoll-Kommentars. Wir haben uns natürlich die verschiedenen Abschnitte der BAO zur Aktualisierung untereinander aufgeteilt. Als routinierte Rechtsanwender ist es für uns sehr leicht einschätzbar, in welchen Bereichen Wissenschaft, Rechtsprechung und Beratung möglicherweise unterschiedliche Herangehensweisen haben. Die sich daraus ergebenden Rechtsfragen haben wir im interdisziplinären Diskurs immer im Einvernehmen gelöst. Auf diese Weise ist es uns gelungen, zu sehr ausgewogenen Lösungen zu kommen.
Die Bedeutung des Abgabenverfahrensrechts hat in den letzten Jahren, mit Tendenz steigend, an Wichtigkeit zugenommen. Sowohl in der Betriebsprüfung als auch in der Beratung- und Vertretungspraxis und damit einhergehend auch beim BFG. Worin liegen die aktuellen Herausforderungen für die Anwender:innen im Arbeitsalltag? Wie firm muss man sein? Schlägt sich dies in der Ausrichtung der Kommentierungen nieder, braucht es mehr interdisziplinäre Breite/Tiefe bzw worauf liegt der Fokus der neuen Stoll-BAO?
Wir teilen Ihre Einschätzung, das Abgabenverfahrensrecht in der Praxis immer wichtiger wird. Das Steuerrecht wird immer komplexer und das Abgabenverfahrensrecht ist der Kompass, der durch den dichten Wald des Steuerrechts durchführt. Die Autor:innen und Herausgeber der 2. Auflage des Stoll-Kommentars sind allesamt „hauptberufliche Rechtsanwender:innen“ der BAO, sei es in Verwaltungsgerichten, der Wissenschaft oder der Beratungspraxis. Wir sind mit den „wichtigen Fragen unserer Zeit“ im Abgabenverfahrensrecht bestens vertraut, denn diese werden tagtäglich an uns herangetragen, und zwar von Klient:innen in Kanzleien, Beschwerdeführer:innen vor Verwaltungsgerichten und Lehrenden/Forschenden in der Wissenschaft. Der Fokus der neuen Stoll-BAO liegt darauf, zu diesen Fragen mögliche Sichtweisen zu vermitteln und am Ende eine klare Antwort zu geben.
Sie können auf einen großen Grundstock an „zeitlosen“ Ausführungen von Gerold Stoll aus der 1. Auflage zurückgreifen, bringen gemeinsam mit Ihrem Autorinnenteam aber „frischen Wind“ in dieses Traditionswerk. Inwiefern trägt die 2. Auflage die Handschrift von Rzeszut/Tanzer/Unger?
Die Ausführungen von Prof. Stoll in der 1. Auflage waren sehr grundlegend. Vieles ist heute nach wie vor gültig. Der eine oder andere Absatz konnte vielleicht eine etwas modernere Formulierung vertragen; die wichtigsten Änderungen waren jedoch schlichtweg durch Gesetzesänderungen und neue Judikatur erforderlich. Wir haben in der 2. Auflage „von hinten angefangen“, da die Bereiche des Einhebungsverfahrens und des Rechtsschutzes (6. und 7. Abschnitt der BAO) jene Bereiche des Abgabenverfahrens sind, bei denen man als Steuerzahlerin wahrnehmbar mit dem Gesetz in Berührung kommt. In diesen Bereichen haben sich auch die wichtigsten Gesetzesänderungen ergeben, sodass hier der Bedarf nach einem Update am größten war.
Auch durch den Gesetzgeber erfährt die BAO, getrieben durch Impulse infolge von Tax Compliance, Digitalisierung und Internationalisierung, eine starke Weiterentwicklung und wird immer mehr zu einer lebendigen Materie. Stellt diese Dynamik auch neue Anforderungen an einen BAO-Kommentar?
Natürlich, daher haben wir uns auch für eine fortlaufende Online-Aktualisierung in einer eigenständigen „Digital First“-Version entschieden, um rasch auf Neuerungen reagieren zu können. Das ist auch das Besondere gegenüber anderen Kommentaren. So kann der Stoll-Kommentar immer auf Höhe der Zeit bleiben und gemeinsam mit der Gesetzwerdung und Judikaturentwicklung wachsen.
Wie geht es mit der Stoll-BAO weiter?
Nach mehrjähriger Vorbereitung sind als „Digital First“-Version bereits die Kommentierungen des 6. und 7. Abschnitts der BAO zur Einhebung der Abgaben und zum Rechtsschutz verfügbar und es erscheint parallel auch der gebundene Printband. Zeitgleich wird bereits an den übrigen Abschnitten geschrieben und somit die „Digital First“-Version stetig wachsen, gefolgt von den Printbänden im Jahresrhythmus.
Eine Abschlussfrage. Seitens des BMF wurde ein Projekt „Reform der Bundesabgabenordnung“ angekündigt Welche Wünsche hätten Sie an die „BAO Neu“?
Das höchste Gut in einem Rechtsstaat ist Rechtssicherheit. Vor diesem Hintergrund würden sich viele Unternehmer wünschen, dass Steuerprüfungen möglichst zeitnah zur Veranlagung erfolgen, damit nicht noch Jahre später mit Abgabennachforderungen zu rechnen ist. Mit der „begleitenden Kontrolle“ wurde hierfür für
große Unternehmen bereits ein wichtiger Schritt gesetzt. Es wäre wünschenswert, wenn auch für kleinere und mittlere Unternehmen die Möglichkeit einer (ggf automatisierten?) Steuerprüfung geschaffen wird, indem Buchhaltungsdaten gemeinsam mit der Steuererklärung ans Finanzamt übermittelt werden und eine Prüfung bereits im Rahmen der Veranlagung stattfindet.
Vielen Dank für das Gespräch!