Welche Bedeutung die StVO im Arbeitsalltag des neuen Herausgeberteams hat, warum für durchschnittliche Straßenverkehrsteilnehmer:innen die StVO nahezu unlesbar ist, welche Themen uns in Zukunft beschäftigen werden und welche neuen Inhalte sich die Leser:innen hier erwarten dürfen, beantwortet das neue Herausgeberteam des bewährten Loseblattwerkes bestehend aus Dr. Armin Kaltenegger (Leiter der Rechtsabteilung KfV), Dr. Thomas Koller (Rechtsanwalt) und Dr. Martin Vergeiner (Gemeindeamtsleiter) in einem Interview mit LexisNexis.
Herr Dr. Kaltenegger, Herr Dr. Koller, Herr Dr. Vergeiner – welche Bedeutung hat die StVO in Ihrem Arbeitsalltag – womit sind Sie aktuell besonders befasst?
Armin Kaltenegger: Die StVO unterliegt aktuell durch den Wandel an Lebensumständen, Technik und Werten außerordentlich großen Anforderungen. Ein Gesetz aus 1960 soll z.B. autonomes Fahren, Mikromobilität, Dekarbonisierung, Trensportarten usw. zufriedenstellend lösen. Dazu bedarf es wahrer Kraftakte der Rechtsanwender und neuer, innovativer Zugänge. Genau damit beschäftige ich mich, neue Realitäten mit der StVO meistern zu können.
Thomas Koller: In meiner anwaltlichen Praxis kommt der StVO natürlich sehr hohe Bedeutung bei der Durchsetzung oder der Abwehr von Ansprüchen aus Verkehrsunfällen von Mandanten zu. Weiters ist die StVO in vielen Fällen auch Grundlage von Verwaltungsstrafen gegen Klienten, die es zu bekämpfen gilt.
Martin Vergeiner: Für eine kommunale Behörde beginnt die StVO direkt vor dem Rathaus. Auf Grund raumplanerischer Überlegungen und Entwicklungen entstehen einerseits Mischverkehrsflächen wie Fahrradstraßen, Begegnungszonen und Wohnstraßen, andererseits spezielle Radverkehrs- und Fußgängerflächen umgesetzt. Dies alles erfordert ein gesetzmäßiges Behördenverfahren und eine rechtskonforme Kundmachung. Selbst bei Bauvorhaben, Veranstaltungen oder Umzügen, die eine Straßensperre nötig machen, spielt die StVO eine tragende Rolle.
Die StVO ist ein Gesetz, das alle Österreicher:innen in ihrem Alltagsleben in der einen oder anderen Form begleitet. Was sind aus Ihrer Sicht klassische „Missverständnisse“, die hier vorherrschen?
Armin Kaltenegger: Für den durchschnittlichen Straßenverkehrsteilnehmer ist die StVO nahezu unlesbar geworden. Die zahllosen Änderungen, Verweisketten, unbestimmten Gesetzesbegriffe und Judikate machen es notwendig, dass Juristen mit viel Geduld und guter Sachkenntnis Fragen beantworten und Komplexes einfach darstellen.
Thomas Koller: In vielen Bereichen der StVO gibt es mittlerweile eine nahezu unüberblickbare Menge an Judikatur, die für die Auslegung dieses Gesetzes entscheidend ist. Daher ist ein Überblick darüber besonders wichtig, ebenso wie knappe Kommentierungen, die das Verständnis einzelner Bestimmungen wesentlich erleichtern.
Martin Vergeiner: Der Straßenverkehr ist eine derart komplexe Materie geworden, so dass die Regeln teilweise nicht klar sind. So gibt es immer neue Fortbewegungsmittel (zB E-Scooter), aber auch immer mehr Arten von Verkehrsflächen (zB Fahrradstraßen), für die bzw. auf denen unterschiedliche Regelungen gelten. Der Kommentar versucht daher, die Sachverhalte praxisnah zu untermauern und verständlich darzustellen.
Herr Dr. Kaltenegger, zur StVO gibt es naturgemäß zahlreiche Verwaltungsverfahren und auch regelmäßig gesetzliche Anpassungen. Welche Judikatur oder legistische Änderung in jüngerer Zeit empfinden Sie als besonders bemerkenswert?
Autonomes Fahren, die Verwendung von Fahrerassistenzsystemen, die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs und Mikromobilität (E-Scooter udgl.) werden die StVO bis an deren legistischen Grenzen verändern. Deshalb führen auch das KFV und LexisnNexis eine Befragung unter Experten durch, wie denn eine völlig umgekrempelte StVO der Zukunft aussehen könnte. Ein spannendes Projekt!
Der Kommentar zur österreichischen Straßenverkehrsordnung wird von Ihnen und dem Autor:innenteam umfassend neu aufbereitet. Welche neuen Inhalte dürfen sich die Leser:innen hier erwarten (und warum bietet das aus Ihrer Sicht besonderen Mehrwert)?
Ein in Umfang und Struktur erweiterter Judikaturteil. Ein Novellenüberblick, der vergangene Sachverhalte leichter lösbar und die Weiterentwicklung einzelner Bestimmungen gut nachvollziehbar macht. Reichhaltige Quellenhinweise, die langwierige Online- und Bibliothekssuchen überflüssig machen. Einführende Anmerkungen und tabellarische Darstellungen, die Überblick und Verständnis schnell möglich machen. Ein Anmerkungsapparat, der Interpretationen dort liefert, wo der Gesetzestext nicht weiterhilft sowie empirisches Datenmaterial zur belastbaren Begründung von Entscheidungen und Wertungen. Unserer Ansicht nach erspart der Kommentar in seiner neuen Form viel Recherchezeit und das gleichzeitige Nachschlagen in mehreren Quellen.
Was hat Sie im Schreibprozess überrascht?
Die Autoren, die ja aus sehr unterschiedlichen juristischen Berufsfeldern stammen, haben jene Fragen, mit denen sie immer wieder konfrontiert wurden, zusammengetragen. Und die Fülle dieses Katalogs war tatsächlich überraschend und hat letztlich zu einem deutlich größeren Aufwand in Strukturierung und Beantwortung dieser Fragestellungen geführt.
Und worauf können sich die Leser:innen in der nächsten Lieferung freuen?
Mit der nächsten Lieferung werden einerseits weitere Paragraphen im neuen Stil des Autorenteams aufbereitet und andererseits, eine der größten Novellen der StVO überhaupt, namentlich die 33. StVO-Novelle, eingearbeitet.
Vielen Dank für das Gespräch!