
Das kürzlich im Verlag LexisNexis veröffentlichte „Lehr- und Handbuch Datenschutzrecht“ bietet in seiner ersten Auflage eine umfassende und systematische Darstellung des Regelungsregimes der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). In praxisnaher und wissenschaftlich fundierter Weise werden sowohl die Grundlagen als auch die neuesten Entwicklungen im Datenschutzrecht eingehend beleuchtet. Dadurch fungiert das Werk als nützliche Basis für ein tieferes Verständnis des europäischen und nationalen Datenschutzrechts.
Wir haben die Autorin und den Autor des Lehr- und Handbuchs, Assoz. Prof. Dr. Christian Bergauer und Univ.-Ass.in Mag.a Nicole Gosch um ein kurzes Interview gebeten.
LexisNexis: Herr Bergauer und Frau Gosch, Ihr Lehr- und Handbuch zum Datenschutzrecht ist unlängst erschienen. Was war die Motivation für dieses Werk und was wollen Sie damit erreichen?
Nicole Gosch: Die Antwort darauf ist im Grunde genommen einfach: Wir wollten eine Lehrunterlage schaffen, die unseren Studierenden den Zugang zum Datenschutzrecht erleichtert. Gleichzeitig war es unser Ziel, ein Werk zu verfassen, das auf dem aktuellsten Stand ist und unsere eigenen Auffassungen zu den komplexen Fragestellungen des Datenschutzrechts widerspiegelt. Mit der Einführung der DSGVO hat sich das Datenschutzrecht in rasantem Tempo entwickelt. Fast täglich entstehen neue Fragestellungen und es gibt ständig wegweisende Urteile – sei es vom EuGH, dem OGH, den Verwaltungsgerichten oder den Datenschutzbehörden. Das macht es für Lernende, Praktikerinnen, aber auch für die Wissenschaft oft schwierig, den Überblick zu behalten. Die rezente Judikatur wurde von uns systematisch in die bestehende Datenschutzdogmatik integriert.
Christian Bergauer: Basierend auf diesem Ansatz wollten wir ein Werk schaffen, das nicht nur die Grundlagen vermittelt, sondern gleichzeitig eine Hilfe für die Praxis bietet und wissenschaftliche Auffassungen praxisorientiert „erdet“. Zu diesem Zweck sollten die didaktischen Besonderheiten eines Lehrbuchs mit der praxisnahen und fachspezifischen Konzeption eines Handbuchs kombiniert werden. Es freut uns daher besonders, dass unser Werk bereits in der universitären Lehre ebenso Eingang gefunden hat wie in die Spruchpraxis des Bundesverwaltungsgerichts. Mit unseren Lehrmeinungen, die sich aus unserer wissenschaftlichen Befassung mit dem Datenschutzrecht herausgebildet haben, finden sich auch Antworten auf datenschutzrechtliche Fragestellungen, die bislang noch nicht in einer gehörigen Tiefe in der Rechtsprechung der einschlägigen Spruchkörper untersucht wurden. Diesbezüglich freut es uns auch besonders, dass die von uns vertretene Auffassung über die Systematik der Rechtmäßigkeit unter Berücksichtigung der besonderen Verarbeitungssituationen des Kapitel IX der DSGVO erst kürzlich vom EuGH (EuGH 19. 12. 2024, C‑65/23 [K GmbH (Traitement de données personnelles des employés)] in diese Richtung bestätigt wurde.
LexisNexis: Sie beschreiben Ihr Buch als Lehrbuch und Handbuch. Wie vereinen Sie diese beiden Perspektiven konkret und für welche Zielgruppe ist Ihr Werk demnach geeignet?
Nicole Gosch: Unser Werk verbindet die didaktische Darstellungsform eines Lehrbuchs mit der praxisbezogenen Nützlichkeit eines Handbuchs. Als Lehrbuch legen wir großen Wert darauf, die Grundlagen des Datenschutzrechts verständlich und systematisch darzustellen und die fachliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsgebiet durch besondere Formatierungen, anschauliche Beispiele und Merksätze zu erleichtern. Kontrollfragen bieten zudem Möglichkeiten der unmittelbaren Selbstüberprüfung und Reflexion, was für Studierende und Berufsanwärter:innen sinnvoll sein kann. Als Handbuch enthält unser Werk zehn logisch aufeinander aufbauende Kapitel, die sowohl eine gezielte Themenrecherche ermöglichen als auch eine Systematik des Regelungsregime der DSGVO offenbaren. Der Fokus auf Primärquellen wie die DSGVO sowie auf relevante Rechtsprechung und Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschusses garantiert Praxisnähe, ohne in Meinungsstreitigkeiten zu verfallen. Das Datenschutzrecht ist in unserer Informationsgesellschaft zu einer wichtigen Rechtsdisziplin geworden, da es das Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrechten und Grundrechten sowie zwischen privaten- und staatlichen Interessen adressiert und als Querschnittsmaterie Bezüge zu vielen Rechtsbereichen wie dem Zivilrecht, Arbeitsrecht, dem Öffentlichen Recht und dem Europarecht aufweist. Für Studierende bietet unser Buch eine systematische Einführung in das europäische Datenschutzrecht und hilft ihnen, die komplexen Strukturen dieser Rechtsmaterie zu verstehen. Praktiker hingegen profitieren von der im Werk enthaltenden umfassenden Sammlung der aktuellen datenschutzrechtlichen Spruchpraxis. Dabei bietet unser Buch besonders die Möglichkeit, fundierte Argumente direkt aus der Rechtsprechung zu gewinnen – sei es für rechtliche Fragestellungen, Gutachten oder Verfahren. Diese Kombination macht es zu einem unverzichtbaren Werkzeug sowohl für Lernende als auch für Praktiker:innen. Daneben sind aber auch noch unsere Lehrmeinungen und rechtspolitischen Anmerkungen zu erwähnen, die nicht nur den rechtswissenschaftlichen Diskurs und die Datenschutzdogmatik fördern, sondern die Rechtsmaterie an sich weiterentwickeln sollen. Unser Werk richtet sich daher ebenso an etablierte Wissenschaftler:innen, die sich für dieses Rechtsgebiet oder unsere methodischen Ansätze interessieren.
LexisNexis: Welche Themenbereiche im Datenschutzrecht haben Sie als besonders herausfordernd empfunden, sowohl in der rechtlichen Analyse als auch bei der Vermittlung im Buch?
Christian Bergauer: Eine der größten Herausforderungen bei der Erstellung des Buches war die systematische Aufbereitung und verständliche Vermittlung des Konzepts der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten, – also der sehr zentralen Frage, wann eine Verarbeitung solcher Daten überhaupt erlaubt ist. Die DSGVO stellt hier einen komplexen Regel-Baukasten bereit, der abhängig von verschiedenen Faktoren, wie den Kategorien der zu verarbeitenden Daten, der konkreten Verarbeitungssituation oder der Implikation der Weiterverarbeitung, unterschiedliche mehr oder weniger strenge Voraussetzungen vorsieht. Besonders anspruchsvoll war es, dieses Zusammenwirken verschiedener Bestimmungen, beispielsweise bei Datenübermittlungen sensibler Daten ins EU-Ausland, klar darzustellen. Dieses komplexe Zusammenspiel unterschiedlicher Regelungen verständlich und didaktisch sinnvoll aufzubereiten erforderte einiges an Denkarbeit. Unsere Lösung war schließlich die Entwicklung eines Ampelsystems, das ein Prüfschema zur Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung beispielhafter Verarbeitungen bietet und damit gerade für Praktiker besonders wertvoll ist. Dieses Schema dient als übersichtlicher Leitfaden und erleichtert die Navigation durch die zahlreichen Rechtmäßigkeitsanforderungen der DSGVO.
LexisNexis: Wie sehen Sie die Zukunft des Datenschutzrechts und die Rolle der DSGVO im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung?
Christian Bergauer: Die DSGVO bleibt auch im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung eine Konstante. Obwohl viele neue Rechtsakte zur Regulierung neuer digitaler Gegebenheiten auf den Weg gebracht wurden, bleibt die DSGVO parallel anwendbar und bildet damit den datenschutzrechtlichen Anker innerhalb der europäischen Digitalisierungsstrategie. Aktuelle sowie künftige technologische Entwicklungen, wie Künstliche Intelligenz, bringen jedoch Herausforderungen mit sich, denen das Datenschutzrecht gewachsen sein muss.
Nicole Gosch: Die DSGVO hat sich bislang als flexibles und zugleich strenges Regelwerk erwiesen, das Datenschutzinteressen mit anderen Grundrechtspositionen in Einklang bringt. Der Schutz personenbezogener Daten wird auch in der Zukunft von zentraler Bedeutung sein, um den Menschen eine freie und selbstbestimmte Entfaltung in einer zunehmend digitalisierten Welt zu ermöglichen.
LexisNexis: Vielen Dank für das Gespräch.