Autoren-Interview zum aktuellen Werk „Der zivilrechtliche Vergleich“
Das vor Kurzem im Verlag LexisNexis erschienene Werk „Der zivilrechtliche Vergleich – eine umfassende Analyse des materiellrechtlichen Vergleichsvertrages gemäß §§ 1380 ff ABGB unter Einbeziehung von Novation und Anerkenntnis“ behandelt den „Dauerbrenner“ Vergleich im Detail und universal und bietet durch die umfassende Aufbereitung dieses besonders praxisrelevanten und zeitlosen Themas eine unverzichtbare Lektüre. Wir haben den Autor des vielversprechenden Werkes, Assoz. Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Aigner um ein kurzes Interview gebeten.
Herr Prof. Aigner, in Ihrem kürzlich erschienenen Werk behandeln Sie den zivilrechtlichen Vergleich im Detail. Was hat Sie dazu bewogen, sich gerade diesem Thema so eingehend zu widmen?
Vergleiche werden in der Praxis außerordentlich häufig geschlossen. Es gibt mehrere Bestimmungen im ABGB, die sich mit dem Vergleich inhaltlich beschäftigen, und mehrere Bestimmungen in der (Verfahrens-)Rechtsordnung, die den Vergleich ansprechen (und meist das Begriffsverständnis der §§ 1380 ff ABGB voraussetzen). Tauchte man in die Materie ein, so offenbarten sich zahlreiche Fragen, deren Beantwortung ungeklärt oder strittig war, oder Fragen, die bisher noch nicht gestellt wurden. Trotz dieser Umstände und des Bedürfnisses nach eingehend begründeten Antworten war die literarische Aufarbeitung des Themas in Österreich eher dünn. Eine universale zivilrechtliche, sich nicht nur mit Teilaspekten beschäftigende monographische Durchdringung fehlte überhaupt. Angesichts dessen und aufgrund meines inhaltlichen Interesses für den Themenkreis erschien mir eine eingehende rechtswissenschaftliche Analyse lohnenswert. Reizvoll war zudem, dass man bei der Aufarbeitung dieses Themas einen Streifzug durch zahlreiche zivilrechtliche Teilbereiche und Institute (zB schuldrechtliche Strukturen, Vertragsrecht, Eherecht, Erbrecht, Mietrecht, Verzug, Irrtum, Geschäftsgrundlage, Wucher, laesio enormis, Verjährung und viele weitere mehr) anzustellen hatte sowie Anknüpfungspunkte zu privatrechtlichen (zB arbeits- und unternehmensrechtlichen) und sogar verfassungs- und strafrechtlichen Aspekten bestanden. Das machte die Bearbeitung aufwändig, weil mehrere Fragen aus diesen Bereichen zuerst grundlegend gelöst werden mussten, um die Ergebnisse dann in der Folge spezifisch auf den Vergleich umlegen zu können. Schließlich war zu beantworten, ob und welche Besonderheiten für einen Vergleich gelten. Unter anderem auch diese Herausforderungen machten die Bearbeitung aber unglaublich spannend. Auch wenn der Schwerpunkt des Werks im Zivilrecht liegt, habe ich zudem an passenden Stellen verfahrensrechtliche Aspekte einfließen lassen und die Arbeit mit einem prozessualen Kapitel abgerundet.
Der Vergleich spielt in der zivilrechtlichen Praxis eine große Rolle. Was macht einen Vergleichsabschluss für Parteien so attraktiv, bedeutet er doch oftmals ein (teilweises) Nachgeben in Bezug auf die eigenen Forderungen?
Die ungebrochene Attraktivität eines (außergerichtlichen oder gerichtlichen) Vergleichsabschlusses resultiert aus den Vorteilen, die ein Vergleich mit sich bringen kann, selbst wenn man teilweise von seiner ursprünglichen Position abgehen sollte. Beispielsweise seien genannt: Beseitigung von Streit oder Zweifel, die einvernehmlich, vorhersehbar, rasch und endgültig erfolgen soll; Vermeidung eines (zeit)aufwändigen und kostenintensiven Gerichtsverfahrens; Erhöhung der Bereitschaft, die Vereinbarung einzuhalten und umzusetzen, wenn der Vergleich von beiden Seiten ausgehandelt und der Inhalt selbst festgelegt wurde, etc.
Worauf muss man bei einem Vergleichsabschluss achten und welche Fehler sollte man in diesem Zusammenhang vermeiden?
Aus praktischer Perspektive empfiehlt es sich, einen Vergleich (nur) dann abzuschließen, wenn die jeweilige Partei vom Vergleichsergebnis (zumindest) insofern überzeugt ist, als es aus ihrer Sicht eine vorteilhaftere Lösung darstellt als die gerichtliche Austragung und Entscheidung eines Rechtsstreits. Sind sich die Parteien noch nicht ganz sicher, ob sie wirklich beim gefundenen Ergebnis bleiben wollen, so empfiehlt sich die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts. Dabei sind etwa auch verschiedene (Auslegungs-)Aspekte im Zusammenspiel mit dem Verfahrensrecht zu berücksichtigen. Grenzen, die beim Vergleichsschluss zu beachten sind, ergeben sich mitunter aus speziellen Rechtsbereichen (zB beim arbeitsrechtlichen, mietrechtlichen oder Unterhaltsvergleich). Sollen durch den Vergleich mitunter alle strittigen oder zweifelhaften Rechte bzw Pflichten bereinigt werden (Stichwort: Generalvergleich), gibt es sinnvolle gesetzliche Auslegungsregeln; dennoch könnte eine möglichst präzise Umschreibung, welche Rechte bzw Pflichten von der Bereinigungswirkung umfasst sein sollen, spätere Streitigkeiten reduzieren. Bei Abfindungsvergleichen ist bei der inhaltlichen Ausgestaltung insbesondere die Sittenwidrigkeitsgrenze zu beachten.
Sie befassen sich in Ihrem Werk nicht nur mit dem Vergleich selbst, sondern beziehen unter anderem auch Novation, Schuldänderung und Anerkenntnis mit ein. Wie verhalten sich diese Konstrukte zueinander und weshalb ist eine gemeinsame Betrachtung wichtig?
Der Vergleich ist eine besondere Art der Novation (bzw der „Schuldänderungsvergleich“ eine besondere Art der Schuldänderung), sodass es für das Verständnis des Vergleichs und seiner Wirkungen unabdingbar ist, sich auch ausführlich mit der „Grundkonstruktion“ von Novation und Schuldänderung zu befassen. In vielen Kapiteln des Werks – sei es bei der Rechtsnatur, beim Abschluss, bei der Bereinigungswirkung, bei Leistungsstörungen, verschiedenen Anfechtungstatbeständen oder bei der Verjährung – werden oftmals aus der Lösung der relevanten Fragen in Bezug auf die Novation Rückschlüsse für den Vergleich gezogen. Ein konstitutives Anerkenntnis wiederum stellt nichts anderes als eine besondere Art des Vergleichs dar; die Besonderheit des Anerkenntnisses liegt dabei (aber) in Wahrheit (nur) im Tatsächlichen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Assoz. Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Aigner ist assoziierter Universitätsprofessor an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz (Abteilung für Multimediales Zivilrecht, Institut für Multimediale Linzer Rechtsstudien). Er forscht und lehrt auf dem Gebiet des gesamten Zivilrechts (auch unter Berücksichtigung interdisziplinärer Bereiche), ist Autor zahlreicher Fachpublikationen, Träger mehrerer Preise, sowie Vortragender auf Fachveranstaltungen.